Hypnotherapie überwindet die Grenzen aus Angst, Scham und Vernunft, sie weckt Neugier und löst Suchprozesse aus. Der Patient kann die Ergebnisse der eigenen kreativen Arbeit selbstbewusst für sich in Anspruch nehmen. Das Vertrauen in die eigenen Kompetenzen wächst so stetig.

Willenlos ausgeliefert?

Hypnotherapie : Was sie leisten kann - und was nicht

Die größte Angst ist, die Kontrolle zu verlieren: Menschen, die zum ersten Mal hypnotisiert werden, sorgen sich, sie könnten im Beisein eines fremden Menschen Dinge tun, die sie sonst nie täten. Oder der Therapeut könnte Ihnen Geheimnisse entlocken, die ihnen peinlich sind oder an die sie sich später nicht mehr erinnern. Das ist mitnichten der Fall.

Zwar richten Sie während der Therapie Ihre Aufmerksamkeit nach Innen. An die Stelle der nach außen gerichteten Sinnesorgane wie Ohr, Auge oder Haut treten schwerpunktmäßig die Informationen der inneren Wahrnehmung: Gefühle, Vorstellungen, Erinnerungen, innere Bilder, Eindrücke. Aber Sie sind immer wach, immer bei sich und immer Herr Ihrer Sinne. Sie bestimmen, was Sie sagen oder tun.

Gegen Ihre Zustimmung, Ihre Wertvorstellungen und ohne Ihre Zustimmung zur gemeinsamen Arbeit ist eine Hypnotherapie nicht möglich. Sie sind zu keinem Zeitpunkt der Hypnotherapie ausgeliefert, hilflos oder handlungsunfähig. Sie können die Hypnotherapie jederzeit unterbrechen und entscheiden immer und ausnahmslos, welche Vorschläge, Einladungen oder Angebote des Therapeuten sie annehmen möchten.

Die Einkehr nach Innen, bei der die äußeren Eindrücke ohne große Bedeutung sind, wird als Trancezustand bezeichnet. Nahezu alle Menschen - und ganz besonders Kinder - kennen einen solchen Zustand aus dem täglichen Erleben: Versunken im Spiel, fasziniert von einem Film, beim Genuss eines Weines, Dösen vor dem Einschlafen oder Tagträumerei können die jeweilige Aufmerksamkeit so in Anspruch nehmen, dass man die Umgebung vergisst.

Man begegnet in der Hypnotherapie und in der Trance in diesem Sinne einem guten alten Bekannten aus dem Alltag. Und wie in diesem Alltag auch kann eine hypnotische Trance erholsam, lebendig, fröhlich, besinnlich, ruhig, entspannt oder auch angespannt und sehr aktionsreich sein.

Bei aller Natürlichkeit im Erleben handelt es sich bei einer Hypnotherapie oder einer hypnotischen Trance um einen ganz besonderen Zustand, der Körperfunktionen positiv verändert und Wahrnehmungen oder Klarheit ermöglicht, die im Wachbewusstsein so nicht möglich sind. Wissenschaftliche Untersuchungen sind in diesem Zusammenhang zu erstaunlichen Erkenntnissen gelangt:

Auf der körperlichen Ebene (Auswahl):

  • sinkt die Atemfrequenz
  • nimmt die Pulsfrequenz ab
  • sinkt der Blutdruck
  • weiten sich die Blutgefäße
  • nimmt die Temperatur der Haut zu
  • sinkt die Muskelspannung
  • ändert sich die Darmfunktion
  • werden die Hormondrüsen beeinflusst
  • verändern sich die Hirnstromkurven
  • sinkt die Ausschüttung der Stresshormone Adrenalin und Cortisol
  • ändert sich die Zusammensetzung der Blutzellen
  • erhöht sich die Immunabwehr
  • werden Botenstoffe aktiviert oder gehemmt
  • nehmen allergische Reaktionen ab
  • werden Wundheilungskräfte aktiviert

Inzwischen beschäftigt sich ein eigener Wissenschaftszweig, die Psychoneuroimmunologie, mit den Zusammenhängen zwischen Körper, Seele und dem Nervensystem und ermöglicht völlig neue Perspektiven im Umgang mit Krankheiten und Gesundheit.

Auf der psychischen Ebene (Auswahl):

  • wird die Vorstellungswelt aktiviert (visuell, akustisch, sensorisch)
  • werden innere Grenzen gesprengt
  • wird die Wahrnehmung erweitert
  • werden intensive Suchprozesse ausgelöst
  • wird der Zugang zu früheren Erlebnissen möglich (inneres Archiv)
  • werden alte Traumata der Bearbeitung zugänglich
  • werden die eigenen Ressourcen wieder verfügbar
  • wird Zeitwahrnehmung beliebig variierbar
  • werden neue Perspektiven sichtbar
  • werden Klarheit und Sicherheit spürbar

Die Hypnotherapie oder der hypnotische Trancezustand ist also ein natürlicher Zustand, der spontan im Alltag erlebbar ist. Hypnose bezeichnet einen Zustand erhöhter Aufmerksamkeit, ein Umschalten auf eine innere Wahrnehmung mit zahlreichen Veränderungen im Bereich körperlicher Funktionen und seelischer Wahrnehmungsqualitäten. Sie stellt zunächst einen bestimmten Wahrnehmungszustand her. Um Suchprozesse auszulösen und Veränderungen einzuleiten, braucht es therapeutische Angebote.

Hypnotherapie nutzt die besonderen Möglichkeiten der hypnotischen Wahrnehmungen.

Hypnose stellt die Basis dar. Aber erst die Hypnotherapie bewirkt gezielt und effektiv Veränderungen.

Hypnotherapie nach Milton H. Erickson

Jeder Mensch ist grundsätzlich in der Lage, seine Probleme selbst zu lösen. Das ist die Grundannahme der Hypnotherapie nach Milton H. Erickson. Vornehmliche Aufgabe des Therapeuten ist daher, dem Patienten jene Perspektiven und Hilfen anzubieten, die ihm einen Zugang zu den eigenen Lösungsmöglichkeiten bereiten und ihm ermöglichen, diese im Alltag umzusetzen.

Das ist häufig schwieriger als gedacht. Denn jeder Mensch hat eine Vorgeschichte, hat im Laufe seines Lebens bestimmte Erfahrungen gemacht und Verhaltensweisen erworben, an denen er aus verschiedenen Gründen festhalten möchte. Der vorbewusste Zustand einer Trance umgeht bei der Suche nach Lösungen die oft engen und gewohnten Grenzen der bewussten Wahrnehmung und macht den Blick frei für kreative und ungewohnt neue Wege. Sind Lösungswege und neue Strukturen gefunden und errichtet, gilt es, die Umsetzung für den Alltag zu gestalten.

Bei der hypnotherapeutischen Arbeit steht dabei immer der Patient mit seinen Möglichkeiten und Fähigkeiten im Vordergrund. So werden die Therapiekonzepte immer an diese Muster angepasst und nicht etwa umgekehrt. Hypnotherapie nach Milton H. Erickson ist immer und ausschließlich eine personenbezogene und uneingeschränkt individuelle Therapie, deren Schwerpunkt in der Suche nach Lösungen besteht, ohne dabei Ursachen völlig außer Acht zu lassen.

Ziel der Therapie ist der Zugang zu einer selbstregulativen, verantwortlich gestalteten Lebensweise, die den Umgang mit Problemen und Spannungsfeldern in angemessener Weise ermöglicht. Die Überzeugungen, Wertmaßstäbe oder Grundmuster des Patienten bilden dafür eine Basis.

In der Hypnotherapie eingeleitete Veränderungen sind in der Regel von Bestand, weil sie eigene Konstrukte des Patienten darstellen, zu den eigenen Glaubensmodellen passen und aus eigener Entscheidung getroffen wurden.

Deshalb und aus anderen Gründen lässt sich Hypnotherapie nach Milton H. Erickson auch als Alltagscoaching definieren: "Wie gestalte ich mein Leben in meinem Alltag so, dass ich mich wieder wohl und stimmig darin fühle?"


Hypnotherapie setzt dabei folgende Strategien ein (Auswahl):

Dissoziation

Der Patient tritt mit seinen unterschiedlichen Persönlichkeitsanteilen direkt in Kontakt und kann so seine einzelnen Bedürfnisse kennen lernen. Es lassen sich dann neue Schwerpunkte im Umgang miteinander persönlich aushandeln, etwa, indem die Lebensfreude endlich einmal wieder über das Pflichtbewusstsein oder die Schuldgefühle triumphiert.

Assoziation

Der Patient verknüpft bislang ungewohnte Inhalte miteinander. Ängstigt man sich etwa vor Hunden, so kann man mit einem "Ich bin hier der Herr und du der Hund"-Gefühl die Angst mildern.

Regression

Mitunter macht es Sinn, in frühe Phasen des (Er-)Lebens zurück zu gehen, in die Kindheit etwa. Häufig lassen sich dort Missverständnisse klären, die man seit vielen Jahren mit sich herum trägt. Der erwachsene Mensch kann mit seinem erworbenen Wissen auch dem Kind von damals Rat und Hilfe geben und so die eigenen kindlichen Anteile versöhnen, beruhigen, besänftig ermuntern. Auf diese Art sind auch die Folgen sexuellen Missbrauchs therapeutisch zu behandeln.

Utilisation

Alle Menschen sind in der Lage, auf Spannungsfelder kreativ zu reagieren. So kann eine übermäßige Belastung Kopfschmerzen auslösen, die als Signal und nicht als Krankheit zu deuten sind: "Nimm Dich zurück, bleib gelassener, senke den Maßstab ein wenig ab, dann machst Du es Dir leichter." Gleiches gilt für Ängste, die den Ängstigen vor zu schnellen und unsicheren Veränderungen schützen wollen. Derlei Fähigkeiten werden dann als Kompetenzen empfunden und gewürdigt werden. Man lernt, sich und die Signale und Botschaften zu verstehen und zu nutzen.

Reorientierung

Sie ermöglicht es, aktuelle Probleme in einem völlig anderen Zeitrahmen - in der Vergangenheit oder in der Zukunft - zu betrachten. Ohne den aktuellen Druck der Gegenwart können sie sodann häufig mit fast spielerischer Gelassenheit gelöst werden.

Selbstverständlich ist auch die Hypnotherapie kein Stein der Weisen, kein Allheiltherapeutikum, kein alleiniger Königsweg. Aber sie ist ein ungemein angenehmes, kreatives, wertschätzendes, lösungsorientiertes, effektives und wirkstarkes Instrument gemeinsamer psychotherapeutischer Arbeit, das der Vorstellung einer Partnerschaft von Arzt und Patient sehr nahe kommt.

Den Möglichkeiten und Angeboten sind auf hypnotherapeutischer Ebene kaum Grenzen gesetzt. Einfallsreichtum und Kooperationsbereitschaft von Therapeut und Patient bestimmen das Miteinander. Bei Bedarf wird die Hypnotherapie durch andere psychotherapeutische Ansätze ergänzt: Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierte Ausrichtungen, analytische Anteile oder psychoenergetische Konstrukte.